Der Preis geht an die Autorin Dorothee Mayer-Kahrweg.
Was bleibt uns in Erinnerung vom 20. Jahrhundert? Zum ersten Mal in der Geschichte jedenfalls nicht nur Texte und Bilder, sondern auch Stimmen und Töne. Dank der Aufzeichnungstechniken, die sich in diesem Jahrhundert entwickelten, sind zahlreiche Originalaufnahmen erhalten, die heute zumeist im Deutschen Rundfunkarchiv und in den Archiven der ARD schlummern. Die Journalistin Dorothee Mayer-Kahrweg hat sich in den Archiven umgehört und aus ihren Funden eine Fundgrube für alle zeitgeschichtlich Interessierten gemacht. Ihre Edition dokumentiert hundert Jahre Geschichte in Hunderten von Originaltönen aus Politik, Kultur und Gesellschaft: vom Start des ersten Zeppelins im Jahr 1900 bis zur letzten "Tagesschau" des Jahres 1999; von der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg bis zum ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr im Kosovo; von Josephine Baker bis Nina Hagen – eine bunte Geschichtsrevue auf 15 CDs, die uns wichtige Ereignisse und Personen, aber auch das Lebensgefühl der einzelnen Dekaden sinnlich in Erinnerung ruft.
Aus der Begründung der Jury:
In großen Schnitten in Jahrzehnten angelegt und geordnet nach den wichtigen Themen der jeweiligen Jahre liegt hier ein akustisches Gedächtnis für ein ganzes Jahrhundert vor. Dabei klingen bald Stimmen heraus, repräsentative Einzeltöne, die man kennt, wie der rheinisch-singende Ton Konrad Adenauers oder auch der Tonfall eines Schlagerstars wie Freddy Quinn, und die ein in unserer Erinnerung vorhandenes Repertoire an Akustik bestätigen. Aber gleichzeitig werden typische Stimmlagen deutlich, deren Sound Ausdruck ihrer Zeit ist, vor allem in der Politik. Diese Sammlung macht aber auch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich, wie Stimmen überreden und überzeugen, mitreißen, verteufeln oder schmeicheln, argumentieren und polemisieren mussten in einer Zeit ohne Fernsehen. Man sieht gleichsam die Gesten ihrer Sprecher, wenn man ihnen zuhört, ohne ihnen zuschauen zu können. Und noch etwas wird deutlich in diesem grandiosen Zusammenschnitt: die Bedeutung des Rundfunks. Das meint nicht nur seine Archive, die den größten Teil der Quellen zur Verfügung stellten, sondern seine Rolle für das Funktionieren der Gesellschaft im 20. Jahrhundert.
Dorothee Mayer-Kahrweg, geb. 1961, arbeitete nach dem Volontariat beim "Öko-Test-Magazin" in Frankfurt, betreute dann die Deutsche Ausgabe des "World-Watch-Magazins" und wendete sich schließlich dem Hörfunk- und Fernsehjournalismus zu. Im Hessischen Rundfunk betreut sie die hr2 Hörbuch-Bestenliste und die Feature-Redaktion und moderiert das Hörbuch-Magazin des Hessischen Rundfunks. Neben der »Chronik des Jahrhunderts« hat sie mehrere Sachbücher veröffentlicht. Zur Zeit arbeitet sie an einer Hörbuch-Reihe über die deutschsprachige Literatur des 20. Jahrhunderts.
Die Laudatio auf Dorothee Mayer-Kahrweg hält der Autor Christian Ankowitsch.